Das „Mainzer Viertel“ als Chance für eine Rundumerneuerung Miltenbergs

Begrüßung durch Lukas Hartmann und Sabine Stellrecht-Schmidt

Die Kreativwerkstatt der Grünen ermöglicht einen gelungenen überparteilichen Auftakt für die Neuplanung des Bahnhofareals.

Um überparteilich ein wichtiges Bauprojekt für Miltenberg erfolgreich planen zu können, braucht es nicht viel: Fachlich-thematische Inhalte, ein bereits vorhandenes konkretes Modell, die Bereitschaft den Wahlkampf pausieren zu lassen sowie inspirierende Räumlichkeiten. Diese Voraussetzungen waren am Samstag gegeben. Der Miltenberger Ortsverband von „Bündnis 90/Die Grünen“ hatte interessierte Bürger*innen und die Kandidat*innen für die Kommunalwahl bzw. das Bürgermeisteramt zu einer Kreativwerkstatt in die Miltenberger Musikschule „Klangfabrik“ eingeladen. Ortssprecher Lukas Hartmann und Bürgermeisterkandidatin Sabine Stellrecht-Schmidt begrüßten die Anwesenden und eröffneten die Veranstaltung.

Bürgermeisterkandidat/in der SPD Sabine Balleier und der Miltenberger Bürgerliste Rainer Rybakiewicz, weitere Kandidat*innen der Listen und Parteien sowie interessierte Bürger*innen waren der Einladung gefolgt und lauschten aufmerksam den im Vorfeld angekündigten Fachvorträgen der Stadtplanerin Sylke Petry (Planungsbüro „var+“, Darmstadt) [Vortrag] und des Baubiologen Karlheinz Müller (Bau-Fritz GmbH & Co. KG, Erkheim) [Vortrag] . Während Petry die Sichtweise auf städtebauliche Merkmale, vor allem im Hinblick auf die Stärkung des Fuß- und Radverkehrs, lenkte, stellte Müller die Vorteile und Möglichkeiten einer ganzheitlich ökologischen und nachhaltigen Philosophie der Holzbauweise am Beispiel der Allgäuer Firma Bau-Fritz vor.

Zusätzlich zu den beiden Vorträgen konnte der Grüne Ortsverband kurzfristig zwei weitere Referenten für die Kreativwerkstatt gewinnen und hatte abschließend für die rund 30 Teilnehmer*innen noch eine weitere Überraschung parat.
Elisabeth Huba-Mang, Vorsitzende der Fördergesellschaft für Nachhaltige Biogas- und Biogaserzeugung e.V. und der German Toilet Organization, erklärte die hierzulande fast noch unbekannte Technik der wasserlosen Toilettensysteme im Zusammenhang mit der Biogaserzeugung und –nutzung. Ihr Mann Heinz-Peter Mang, Gastprofessor an der Wissenschaftlichen Universität in Peking und Gründungsmitglied der Fördergesellschaft für Nachhaltige Biogas- und Biogaserzeugung e.V. ergänzte die Ausführungen seiner Frau und lieferte spannende Einblicke in die erfolgreichen Umsetzung der Technik in Flüchtlingscamps und Notunterkünften in Katastrophengebieten.
Abgerundet wurden die fundierten Fachvorträge von einer kleinen Überraschung. Michael Ehras, Architekt im Miltenberger Architekturbüro „Knapp-Kubitza“, stellte einen komplett ausgearbeiteten Modellentwurf für das alte Bahnhofsareal vor. Ehras hatte sich im Rahmen seines Architekturstudiums 2014 in seiner Diplomarbeit dem brachliegenden Gelände gewidmet und ein mögliches Modell eines neuen Stadtviertels erarbeitet. Ehras erklärte das Konzept so: „Das „Mainzer Viertel“, so mein Vorschlag für das neue Quartier, vereint Wohnflächen und Einkaufsmöglichkeiten, bietet hohe Aufenthaltsqualität und fügt sich integrierend ins vorhandene Miltenberger Stadtbild ein.“ Erstaunlich für die Teilnehmer*innen war nicht nur der Umstand, dass es seit sechs Jahren ein konkretes Modell für die Bebauung des Bahnhofareals gibt, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich niemand der Stadtverantwortlichen damals wie heute für den Vorschlag interessierte.

Der anschauliche Entwurf lieferte den Übergang zur Kreativphase. Ein Großteil der Teilnehmer*innen arbeitete mit Unterstützung des Architekten Ehras am vorhandenen Modell und entwickelte darauf aufbauend weitere Ideen für das neue Stadtviertel. Eine kleinere Gruppe wagte sich im übertragenen Sinne auf das brachliegende Gelände und diskutierte Ansätze für ein komplett neues Entwurfsmodell.
Die Vorstellung und Diskussion der Ideen beider Gruppen und aller Teilnehmer*innen brachte folgende Erkenntnisse:

  1. Bevor wieder an unterschiedlichen Stellen in der Stadt (z.B. Bahnhofsareal, Feuerwehr, Grundschule, Altstadt) für sich zwar stimmige, aber einzelne und unabhängig voneinander gesehene Projekte realisiert werden, braucht es ein Gesamtkonzept für Miltenberg, dass alle einzelnen notwendigen Maßnahmen miteinander in Einklang bringt und aufeinander abstimmt. Dieses Gesamtkonzept muss unter Berücksichtigung der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur aufgrund des demografischen Wandels eine mittelfristige Perspektive von fünf bis zehn Jahren im Blick haben: Was braucht Miltenberg am Ende des neuen Jahrzehnts? Wer lebt dann in Miltenberg? Was sind die Bedürfnisse der Einwohner*innen? In dieses Gesamtkonzept fließen die Planungen für das Bahnhofsareal mit rein.
  2. Für die Realisierung des Geländes am „Alten Bahnhof“ braucht es eine Gesamtplanung, die die Bestandsgebäude auf beiden Seiten der Mainzer Straße und die Verkehrsbeziehungen zwischen Fußgängern, Rad- und Autofahrern berücksichtigt. Zur Nachhaltigkeit der Entwicklung dieses Gebiets gehören vier wesentliche Elemente:
    a) Gemischte statt getrennte Bebauung: Vermischung von Gewerbe, Wohnungen und Aufenthaltsmöglichkeiten – ein urbanes Leben wie auch in einer lebendigen Altstadt.
    b) Ausrichtung des Verkehrs auf Fuß- und Radverkehr sowie Stärkung des vorhandenen ÖPNV. Vorstellbar wäre eine Umwandlung der Mainzer Straße in eine 30er-Zone um das Gefährdungspotential für Fußgänger und Radfahrer zu reduzieren.
    c) Energieeffizienz und Ressourcenschonung bei Bau, Betrieb und Entsorgung der verwendeten Baumaterialien. Idealerweise ist das Baumaterial aus nachwachsenden Rohstoffen zu verwenden.
    d) Aufenthaltsqualität für die bisherigen und „neuen“ Bewohner der Mainzer Straße, für alle Miltenberger*innen und Besucher*innen schaffen und damit eine schöne Fortsetzung für die Mainuferpromenade finden und es für junge Menschen in unmittelbarer Nähe zum Jugendzentrum Sport- und Freizeitmöglichkeiten schmackhaft machen.
  3. Miltenberg kann mit einer innovativen Bebauung des Bahnhofareals Vorreiter und Vorbild sein, wenn sich die Verantwortlichen der Stadt trauen, neue Denkweisen zuzulassen, offen für zukunftsweisende und bereits erprobte Technologien zu sein und vorhandenes kreatives Potential seiner Bürger*innen einzubinden.
  4. Die Stadt kann sich besser entwickeln, wenn alle, also Stadtrat, Stadtverwaltung und Bürger*innen, an einem Strang ziehen und gemeinsam die Projekte planen und vorantreiben. Beteiligungsprojekte für Bürger*innen sollten Standard bei wichtigen städtischen Entscheidungen sein und die im Stadtrat vertretenen Parteien und Gruppierungen können mehr erreichen, wenn sie über ihre eigenen Grenzen hinweg zusammenarbeiten.

Lukas Hartmann, Ortssprecher der Grünen, bedankte sich abschließend bei allen Teilnehmer*innen und freute sich über die Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg: „Diese Kreativwerkstatt hat allen sichtlich Freude bereitet. Das Bahnhofsareal hat es verdient, dass wir Miltenberger es mit Leidenschaft, Kreativität und Freude realisieren.“ Sabine Stellrecht-Schmidt, Bürgermeisterkandidatin erklärte mit Blick auf die zukünftigen Neuplanungen: „Die Kreativwerkstatt der Grünen kann beispielhaft für zukünftige Beteiligungsprojekte der Miltenberger*innen sein.“

Autor: Lukas Hartmann
Fotos: Hüseyin Günes

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